Nachwuchssportlerin des Monats Oktober - Michelle Goschin

- Kategorie: Sportnews

Sie ist schon immer größer gewesen als die anderen. Immer schon Goliath. Immer gegen Davids. Bei den Judo-U-18-Weltmeisterschaften vor wenigen Wochen in Miami überragte Michelle Goschin ihre Gegnerin im Halbfinale dann sogar um einen ganzen Kopf. „Am Anfang hat mir meine Größe eigentlich eher Schwierigkeiten bereitet“, sagt die 17-Jährige aus Berlin, heute 1,83 Meter groß: „Doch jetzt ist es wirklich ein Vorteil.“ Am Anfang, das war 2001, als sie im Alter von sechs Jahren mit dem Judo anfing. Aktuell gehört sie zum Kader der Jugendnationalmannschaft und trainiert jeden Tag drei bis vier Stunden.

Judo ist für Michelle Goschin weit mehr als nur eine Sportart. Es ist: eine Lebenseinstellung. „Man lernt sehr viel über den Respekt gegenüber anderen Menschen“, sagt sie. „Natürlich habe ich auch immer wieder kleinere Streitigkeiten. Aber ich habe mich dann schnell wieder im Griff. Das kommt vom Judo.“ Judo kann man nicht einfach lernen. Bei der sehr komplexen Sportart kommt es auf Kleinigkeiten an, Flexibilität. Und zu Beginn auf den eigenen Willen. „Man muss das am Anfang schon sehr wollen, sonst klappt es nicht“, sagt Michelle Goschin. Immer und immer wieder muss man im Training die Übungen wiederholen. Und irgendwann klappt es dann, man hebelt plötzlich seinen Gegner wie von Wunderhand geführt aus und bringt ihn zu Fall. Und dass muss für größere Menschen gar nicht unbedingt einfacher sein als für kleinere. Das Hebelgesetz funktioniert ganz wunderbar in beide Richtungen.

Die deutsche Jugend-Vizemeisterin zeichnet vor allem ein für ihr Alter bereits erstaunlich stabiles Nervenkostüm aus. „Die meisten meiner Gegnerinnen machen sich immer einen Kopf darüber, ob sie nun gewinnen oder verlieren“, sagt Michelle Goschin. „Ich gehe da eher locker ran und kämpfe eben, so gut ich kann. “ Ihr großes Ziel bleiben die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. „Ich bin auf einem sehr guten Weg und kann das wirklich schaffen“, sagt die 17-Jährige.

Bei der U-18-WM stand sie vor kurzem also der einen Kopf kleineren Gusmary Garcia Savigne aus Kuba gegenüber. Es war ein intensiv geführter Kampf, „blaue Flecken, ein paar Stauchungen und Prellungen“ gehören sowieso immer dazu. Kurz vor Schluss stauchte sie sich das Sprunggelenk und musste aufgeben. Beim Kampf um Platz drei stand sie jedoch bereits wieder auf der Matte – und wurde am Ende WM-Fünfte.

von Benjamin Apitius, Tagesspiegel