Nachwuchssportlerin des Monats April - Lilly Richter

Ehrgeizige Lilly schickt ihre Gegner auf die Matte

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Lilly Richter ist ein großes Judo-Talent und gewann schon den Europacup. Sie wartet den richtigen Moment für ihre Attacken ab.

Unter den Kampfsportarten gilt Judo als eine besonders edle. Von den Sportlern wird verlangt, dass sie sich einer strengen Etikette unterwerfen, zu der es unter anderem gehört, auch eine Niederlage mit Fassung zu tragen. Umso mehr fiel es auf, wenn die Berlinerin Lilly Richter in der Vergangenheit nach einem schwachen Auftritt ihre Flasche auf den Boden pfefferte oder mit voller Wucht die Werbebande umtrat. „Ich kann schlecht verlieren, da bin ich einfach eine sehr stolze Person“, sagt die 16-Jährige.

Mit Sieg im Europacup einen Traum erfüllt

Ihre Trainer waren über dieses Verhalten zwar nicht immer glücklich, doch sie erkannten darin auch den unbedingten Siegeswillen ihrer Athletin, den es nur in die richtigen Bahnen zu lenken galt. Zuletzt gab es ohnehin kaum noch Grund für solche Ausfälle. Beim Europacup in Kroatien war Lilly kürzlich unter 45 Konkurrentinnen die Beste, beim gleichen Event in Spanien hatte sie kurz zuvor bereits Platz zwei belegt. Für diese Erfolge wurde sie jetzt auch zur Berliner Nachwuchssportlerin des Monats April gewählt. „Mit dem Sieg im Europacup ist ein Traum in Erfüllung gegangen“, sagt sie. Mit diesem neuen Selbstbewusstsein peilt die Charlottenburgerin im Sommer nun auch bei den Welt- und Europameisterschaften eine vordere Platzierung an. In der Weltrangliste steht sie momentan bereits auf Rang acht.

Körpergröße von 1,74 Meter ist oft ein Vorteil

Bei den deutschen Meisterschaften musste sich Lilly Richter Anfang des Jahres allerdings mit Platz drei begnügen. Es siegte stattdessen eine andere Berlinerin – Viktoria Folger. Lillys Vorteil ist normalerweise ihre Körpergröße von 1,74 Meter, mit der viele Gegnerinnen so ihre Probleme haben; weil Viktoria aber sogar noch ein bisschen größer ist, konnte sie diesen Trumpf im direkten Duell mit der Trainingskollegin dieses Mal nicht ausspielen. Mit Charlotte von Leupoldt gibt es in ihrer Gewichtsklasse bis 63 Kilogramm sogar noch eine weitere starke Kämpferin in der Stadt. Lilly Richter sieht die interne Konkurrenz durchaus positiv: „Wir stacheln uns gegenseitig an“, sagt sie. Selbst im Training gibt das Trio jederzeit Vollgas, weil niemand verlieren will.

Über eine AG in der Schule zum Judo gekommen

Judo macht Lilly schon seit der zweiten Klasse. Ihr jetziger Verein Kaizen Berlin organisierte damals in der Turnhalle eine Judo-AG, sie schaute durch die breite Fensterfront hinein und war sofort Feuer und Flamme. „Ich habe einfach Spaß am Kämpfen. Ich brauche diesen Adrenalinkick“, sagt sie. Bis 2017 trat sie noch in der Klasse bis 57 Kilogramm an, doch dann setzte sie eine Knochenhautentzündung für ein Dreivierteljahr außer Gefecht. Krafttraining war allerdings weiterhin möglich, was die Schülerin auch ausgiebig nutzte und in dieser Zeit deshalb deutlich an Muskelmasse zunahm.

Sie wartet auf den richtigen Moment

Sich einfach auszuruhen, ist ihre Sache nicht: Derart ehrgeizig ist sie, dass sie selbst dann schon ein schlechtes Gewissen plagt, wenn sie wegen einer Krankheit einmal eine Trainingseinheit verpasst. „Ich denke dann immer gleich, dass die anderen in dieser Zeit ja auch besser werden“, sagt sie. In ihrer neuen Gewichtsklasse fühlt sie sich gut aufgehoben. „Bei den 57 Kilo waren alle recht schnell auf den Beinen, was ich selbst eher nicht bin, von daher passt das jetzt deutlich besser“, meint Lilly. Sie ist eine Kämpferin, die eher wenige Angriffe setzt und stattdessen lieber den richtigen Moment abwartet. Dann kommt die Attacke dafür umso kraftvoller.

Text: Philip Häfner \\ Berliner Morgenpost